Im Interview: Dr. Nils Reimers von der Stryker Trauma GmbH berichtet, warum sich EU-Projekte für Unternehmen lohnen

Über die Nutzung von Forschungs- und Innovationsprogrammen wie Horizont 2020/Horizont Europa für die Umsetzung experimenteller Forschung.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass ein funktionierendes Gesundheitssystem nicht nur für den sozialen Zusammenhalt, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung essentiell ist. Die Stryker Trauma GmbH in Schönkirchen bei Kiel beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten genau mit diesem Thema – medizinische Produkte zu entwickeln, die vom Markt gefordert werden, und die Menschen, die diese benötigen, in den Fokus zu rücken. Das Unternehmen gehört zum Konzern Stryker Corporation, eines der weltweit führenden Unternehmen der Medizintechnik. Zu den Tätigkeitsbereichen am schleswig-holsteinischen Standort gehören Produktion sowie Forschung und Entwicklung von Marknägeln für alle Extremitäten.

Dr. Nils Reimers leitet den Bereich „Research & Development, Government Affairs and Market Access“ und ist damit auch für die Durchführung von EU-Projekten zuständig. Das Unternehmen hat bereits Erfahrung mit zahlreichen EU-Förderprogrammen, darunter das 7. Forschungsrahmenprogramm, HORIZON 2020 und Interreg 5A Deutschland-Danmark. Aktuell beteiligt sich die Stryker Trauma GmbH an den EU-Projekten BIOREMIA, SAFE-N-MEDTECH, ACCESS & ACCELERATION und EVPRO (Extracellular Vesicles Promoted Regenerative Osseointegration).

Wie haben Sie sich in den EU-Projekten im Konsortium zusammengefunden?

Wir überlassen nichts dem Zufall und gehen zielgerichtet vor, d.h. wir arbeiten die EU-Programme aufmerksam durch und haben hierbei immer unsere Innovationsstrategie im Blick. Sobald wir ein passendes EU-Förderprogramm identifiziert haben, suchen wir nach passenden Partnern. Diese sollen natürlich inhaltlich zum geplanten Projekt passen. Universitätskliniken stehen für unser Unternehmen im Fokus. Jedoch auch Unternehmen sind für uns als Partner interessant, wenn diese unsere Expertise ergänzen. Bei akademischen Einrichtungen ist neben vorherigen EU-Projekten vor allem Exzellenz in Forschung und Entwicklung, nachgewiesen etwa durch Publikationen oder Doktorarbeiten, ein zentrales Kriterium. In der Regel koordinieren wir also das Zusammenfinden des Konsortiums. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass wir bei der Antragstellung Lead Partner sind. Wir suchen stattdessen in der Regel nach Partnern, die diese Rolle übernehmen.

Bei der Partnersuche greifen wir auf unser bestehendes Netzwerk zurück. Nur selten betreiben wir Kaltakquise; die Partner sind uns meistens bereits bekannt. Wir gehen aber auch auf sogenannte Matchmaking Events, um potenzielle Partner kennenzulernen und uns selbst zu präsentieren. Zu HORIZON 2020 [Vorläufer von HORIZON Europe, Anm. d. Red.] fanden z.B. jährlich solche Veranstaltungen in Brüssel statt, an denen wir auch teilgenommen haben. Weitere Kontakte ergeben sich durch meine Tätigkeit als Vorsitzender der „Research and Innovation“-Gruppe von MedTechEurope, dem europäischen Dachverband der Medizintechnikbranche. Dadurch habe ich nicht nur direkten Zugang zu EU-Entscheidungsträgern, sondern reiche auch konkrete Vorschläge im Namen des Verbands an die Europäische Kommission weiter.

In welcher Weise profitiert Ihr Unternehmen bei EU-Projekten von der Zusammenarbeit mit europäischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)?

Große Unternehmen und KMU profitieren in EU-Projekten gegenseitig voneinander. Wir als großes Unternehmen wissen genau, was in unsrem Markt relevant ist, d.h. welche Probleme aus medizinischer Sicht noch gelöst werden müssen. Durch unsere internationalen Vertriebskanäle können wir Produkte und Dienstleistungen von KMU vertreiben. Wir haben außerdem Kompetenz in Hinblick auf Zulassungsprozesse oder regulatorische Anforderungen. Wir stellen eine gute Ergänzung zur Expertise der kleineren Unternehmen dar. Wir haben bei EU-Projekten mit großen Konsortien außerdem schon Unternehmen gefunden, mit denen wir anschließend bilaterale Geschäftsbeziehungen fortgeführt haben.

Inwiefern tragen EU-Projekte dazu bei, dass Innovation in Ihrem Unternehmen gefördert wird? 

Wir nutzen EU-Projekte im Vorwettbewerb, d.h. zur Umsetzung experimenteller Forschung, vor allem um eine andere Perspektive auf die Problemstellung zu bekommen und Innovation neu zu denken. Gerne nutzen wir EU-Projekte auch, um ungelöste Probleme in unserer Branche noch besser zu verstehen. Teilweise werden während der Durchführung von EU-Projekten ganz neue Ideen entwickelt, die wiederum zur Entwicklung neuer Fragestellungen führen.

Welche Tipps würden Sie an EU-Projekten interessierten Unternehmen mit auf den Weg geben?

Man sollte nicht zu früh aufgeben, sondern mit einem gewissen Frustrationslevel umgehen können. Es braucht Zeit und Geduld, um EU-Projekte zu schreiben und zu entwickeln. Auch wenn ein Antrag abgelehnt wird, kann man diesen immer weiterentwickeln und nochmals einreichen. Ein weiterer Punkt ist, dass man nur an EU-Projekten teilnehmen sollte, wenn diese sich inhaltlich mit den eigenen Geschäfts- bzw. Innovationsfeldern decken. Im Hinblick auf die Konsortien ist nicht unbedingt die geographische Verteilung relevant, sondern die Exzellenz der Projektpartner. Wichtig ist es für Unternehmen auch, sich zu vernetzen – wie wir es z.B. über den Verband MedTechEurope tun.

Herr Dr. Reimers, wir danken Ihnen für das Gespräch!